Ich hatte in letzter Zeit einige gute und sehr gute Spiele wie Mass Effect 2, Pony Island, Beatbuddy, Laserlife oder Jade Empire gezockt. Dabei verschiedene Genre bearbeitet und zwischen AAA- und Indie-Titeln variiert.
Dennoch hatte ich wieder einmal das Gefühl, dass dem Medium Computerspiel trotz seiner Überlegenheit in Sachen Interaktivität gegenüber anderen Medien, das Gewisse etwas im Bereich Emotionalität abgeht. Noch kein Spiel hatte mich bis dato so mitgenommen wie ein hervorragender Film, tolles Buch, tiefgründiger Comic oder
eine fantastische Fernsehserie. Vielleicht schaffte es das eine oder andere Spiel ansatzweise aber nie über die volle Spielzeit. Wenn ich beispielsweise Luke Skywalker, Walter White und Gandalf mit Commander Shepard, Gordon Freeman und Deckard Cain vergleiche – kommen mir die ersten drei Charaktere deutlich dichter und lebendiger vor. Nicht weil sie durch reale Menschen dargestellt wurden, sondern weil den fiktiven Charakteren innerhalb der Erzählung mehr Leben eingehaucht wurde.
Genau solche Gedanken trieben mich nur einige Wochen bevor ich Life is Strange zu spielen begann um.
Doch das in fünf Episoden erzählte Life is Strange sollte mich postwendend Lügen strafen. Das Spiel hat lebensechte vielschichtige Charaktere, welche nachvollziehbar handeln, sehr gut geschriebene Dialoge in fantastischer Synchronisation(im Englischen), emotional aufgeladene Szenen, spannende Wendungen und eine insgesamt sehr gute Handlung, welche eine regelrechte Sogwirkung erzeugt.
Diese dreht sich um Maxine Caulfield, einer Fotografie-Studentin an der Blackwell Academy, welche nach einem Schicksalsschlag herausfindet, dass sie die Zeit zurückdrehen und die Vergangenheit verändern kann. Zusammen mit ihrer Jugendfreundin Chloe macht sie sich auf die Suche nach der seit einiger Zeit verschwundenen Rachel Amber. Daraus und aus den Verwicklungen mit zahlreichen Nebencharakteren entwickelt sich eine spannende Handlung, bei der man immer wieder mit seinen teilweise schwierigen Entscheidungen den Verlauf tiefgreifend beeinflusst.
Das Gameplay könnte man als Schwachpunkt bezeichnen, wenn man die Rätsel als zu leicht und die Aktionsmöglichkeiten als zu gering betrachtet. Für mich war es aber genau dieser Grad, der dafür sorgte, dass die Handlung, wie bei einem guten Film, stetig voranschritt. Ich empfand es auch als angenehm, nicht durch repetitive Actioneinlagen, die in anderen Spielen häufig nur die Spielzeit strecken, im Fortgang der Geschichte gestört zu werden. Grundsätzlich würde ich das Spiel als Adventure bezeichnen. Man löst Rätsel, führt Dialoge, erkundet die Umgebung und sammelt dabei Gegenstände. Ein Inventar gibt es nicht, dafür aber ein wunderschön gestaltetes Tagebuch, in dem man u.a. die Handlung nachlesen und Fotografien sammeln kann. Viele Rätsel spielen mit der Möglichkeit die Zeit zurückdrehen zu können. Dies bleibt bis zum Schluss interessant und lädt zum Experimentieren ein. Insgesamt wurde bei mir die Lust zum Entdecken der Welt geweckt, was meiner Meinung nach einen wesentlichen Teil des Spielspaßes ausmacht und die vielen Details, die einen sonst entgehen würden, zu Tage förderten.
Ein besonderes Lob gebührt dem vom modernen Indie-Folk inspirierten Soundtrack, welcher perfekt die Atmosphäre des Spiels unterstützt. Unter anderem das schöne Gitarren-Riff des Hauptmenüs bleibt einem im Ohr.
Die Optik des Spiel ist sicherlich Geschmacksache. Ich mochte den reduzierten Stil, dessen Texturen etwas gemaltes haben. Umso überbordender ist die Ausstattung der Kulissen. Alle Räumlichkeiten sind unglaublich detailreich ausgestattet, in den Außenszenen fliegen Insekten und Vögel durch die Luft, Eichhörnchen wuseln
durch die Gegend und alles ist wunderbar ausgeleuchtet.
Was bleibt sonst noch zu sagen? Die Animationen sind toll, das Sounddesign filmreif und man sollte sich nicht vom Setting abschrecken lassen, da die Handlung sehr erwachsen und schonungslos daherkommt und man sonst eines der besten Gesamtkunstwerke des Mediums Computerspiel verpassen würde.
Damit man meinen Geschmack besser einordnen kann, füge ich meinen Rezensionen immer eine Orientierungsliste bei:
Gut finde ich: Day of the Tentacle, The Dig, Grim Fandango
Nicht so gut finde ich: Simon the Sorcerer 3D, Rent A Hero, Ankh: Heart of Osiris